Thema: Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu denken
Das Thema hat mit seinem Dreiklang Erinnern – Erhalten – Neu denken einen Bezug zu gestern, heute und morgen. Es ist aber vor allem als Zukunftsthema gedacht.
- Was kann ein Denkmal eigentlich alles?
- Welche Chancen bietet es für unsere Gesellschaft?
Wo ergeben sich neue Perspektiven auf etwas, das für uns selbstverständlich ist? - Welche Bedeutung hat die Erhaltung von Baudenkmalen für unsere Gesellschaft und wie können wir sie heute erhalten, damit sie morgen nutzbar sind?
oder konkreter auf mein Denkmal bezogen:
- Was sind die Chancen meines Denkmals?
- Wieso setze ich mich für dieses Denkmal ein?
Zwei Hauptthemen ergeben sich daraus,
- zum einen das Nachdenken über Denkmalpflege an sich
- zum anderen das Thema Nachhaltigkeit.
Denkmalpflege selbst zum Thema zu machen, ist eine große Chance, zu vermitteln, welche Ziele die Denkmalpflege hat, wieso wir uns für Denkmale einsetzen und Informationen über den Denkmalschutz zu vermitteln. Dieses Erklären, was Denkmalpflege ist und was sie macht, war natürlich in den letzten Jahren schon immer dabei, es lohnt sich aber durchaus, sich mit den Grundlagen der Denkmalpflege näher zu beschäftigen.
Wichtige Themen dabei sind
- die Denkmalwerte (siehe Protokoll, Einführung von Herrn Panter)
- Authentizität, Echtheit, Substanz, Original
Die Substanz des Baudenkmals zu erhalten ist das Entscheidende, nicht nur die Fassade. Es ist, wie wenn man aus einem Buch die Textseiten herausreißt und mit Hinweis auf den noch vorhandenen Einband behauptet, das Buch sei ja noch da!
Gertrud Clostermann
Nur ein Bauwerk, das seine Geschichte in sich trägt und diese in seiner Substanz ablesen lässt, kann die Eigenschaften eines Denkmals besitzen, die auf der zeitlichen Distanz zur eigenen Gegenwart und „Echtheit“ beruhen.
Achim Hubel, Denkmalpflege statt Attrappenkult
Dass Denkmalpflege substanzorientiert arbeitet, ist oft erklärungsbedürftig. Am Denkmaltag kann man viel an einem konkreten Beispiel erklären und zeigen.
Die Themen sind nicht konfliktfrei und ergeben auch Widersprüche (siehe beispielsweise der Umgang mit den Denkmalwerten. Oder das Abwägen zwischen Umnutzung und Substanzerhalt) Hier lohnt es sich, den Denkmaltag zu nutzen, mit den Besuchern zu diskutieren und Fragen zu stellen. Abwägen geht nur mit Nachdenken und Betrachten der verschiedenen Aspekte.
Nachhaltigkeit
Die Stiftung Denkmalschutz legt den Fokus vor allem auf das Thema Nachhaltigkeit. Was heißt das?
„Nachhaltig ist eine Entwicklung, wenn sie gewährleistet, dass die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen.“
Brundtland-Bericht 1987
Die oft zitierte Definition aus der Forstwirtschaft „nur soviel zu entnehmen wie nachwächst“ ist für die Denkmalpflege schwierig. Denkmale sind unersetzliche Ressourcen, sie wachsen nicht nach und was weg ist, ist weg.
Was heißt nun Nachhaltigkeit im Denkmalschutz?
Nachhaltigkeit heißt in der Denkmalpflege,
- „die Nutzungsphase und materielle Existenz der Kulturdenkmäler mit den geringstmöglichen Eingriffen ad ultimo zu verlängern“.
Frank Eßmann/Roswitha Kaiser, Nachhaltigkeit und Prävention
- Denkmalpflege bewahrt mit der historischen Bausubstanz die darin enthaltenen Informationen und Botschaften und damit bedeutende materielle und geistige Ressourcen.
- Mit den Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen werden Denk- und Verhaltensweisen sowie Techniken gegenüber den Geschichtszeugen entwickelt und tradiert.
Marion Wohlleben, Nachhaltigkeit und Denkmalpflege
- „Die Nachhaltigkeit im denkmalpflegerischem Kontext geht über die materiellen Werte hinaus auf den sachten und weitblickenden Umgang mit immateriellen Werten wie Erinnerung, Identität und Authentizität in den materiellen Spuren zu“
Theresia Gürtler-Berger
Bei der Betrachtung von Nachhaltigkeit werden verschiedene Ebenen betrachtet:
- die Umwelt/die ökologische Ebene
- die wirtschaftliche Ebene
- die soziale Ebene
- und die kulturelle Ebene
Zuerst fallen einem die üblichen Themen ein wie regionale Baumaterialien, ressourcensparendes Bauen, recycelbare Baumaterialien etc. Betrachtet man aber auch die gesellschaftliche Ebene, ist Denkmalpflege noch viel mehr. Denkmale
- stiften Identität und Orientierung
- sie bieten Beständigkeit
- regionale Vielfalt und Besonderheiten
- Alternativen zur Kommerzialisierung und globalen Vereinheitlichung
In Denkmalen stecken alternative Ausdrucks-, Produktions- und Lebensmöglichkeiten. Denkmale sind auch sperrig, weil sie sich nicht nur auf einseitige Verwertbarkeit reduzieren lassen – gerade in diesem Unangepasstsein steckt eine Chance. Ressourcen schonen heißt nicht nur die natürlichen Ressourcen zu schonen, sondern auch die kulturellen.
Hier stecken manchmal Widersprüche zwischen dem Schutz der Bausubstanz und den Ansprüchen der Benutzer.
Über die Beschäftigung mit Denkmalen ist es möglich, ein historisches Bewusstsein zu entwickeln. Erinnerung ist an Orte gebunden. Wenn ich erlebe, dass mein Gebäude in eine konkrete Geschichte eingebunden ist, wenn ich mir klar mache, dass ich diesen geborgten Reichtum an viele nachfolgende Generationen weitergeben kann, so verbinde ich mich selbst mit dieser Geschichte und kann sie für andere anschaulich machen.
Bei der wirtschaftlichen Ebene geht es nicht nur um die Kosten einer Sanierung oder den Unterhalt eines Gebäudes. Es geht auch um den Wert von Denkmalen für die Stadt, für die Identität der Bewohner und das Stadtmarketing. Geschichte ist ein „exklusives Kapital, das von keinem Konkurrenten „kopiert“ und gar aufgeholt werden kann.“ (Rulf Neigenfind )
Hier lohnt sich der Blick auf den Ursprung der Begriffe Ökonomie und Ökologie, in beiden steckt ja das griechische oikos = Haus, Haushalt. Ein Haus war eine architektonische und wirtschaftliche und soziale Einheit. Es geht nicht darum, billig zu bauen, sondern haushälterisch umgehen mit den zu Verfügung stehende Mitteln, zur Vermehrung des Gemeinwohls und dazu, den nachfolgenden Generationen ein gutes Auskommen zu sichern.
Bei der Betrachtung muss der ganze Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet werden, der Bau, der Unterhalt und die Entsorgung.
„Bei Baustoffen wird bei der Rohstoffgewinnung, der Herstellung und dem Transport, bei der Bearbeitung und dem Einbau sowie der Pflege (oder Bauunterhaltung) bis zur Entsorgung am Ende eines Nutzungszyklus vielfältige Energie benötigt. Diese bezeichnet man als „Graue Energie“. In Baudenkmalen ist diese Energie eine gebundene Ressource, die häufig seit Jahrhunderten im klimaneutralen und umweltschonenden Einsatz ist.“
Broschüre Denkmalpflege und Erneuerbare Energien, Landesdenkmalamt
Wieso eigentlich Nachhaltigkeit und Denkmalschutz?
Ist Denkmalschutz nicht per se nachhaltig durch seinen Fokus auf die Langlebigkeit der Gebäude? Nicht unbedingt: „Von Nachhaltigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der für das Überleben notwendigen Nutzung nicht die wertvolle materielle Substanz des Objektes geopfert wird“ (Theresia Gürtler-Berger). Manche Umnutzung eines Denkmals ist durch die großen Eingriffe oder zu aufwendige technische Lösungen, die viel Unterhaltungsaufwand benötigen, nicht als nachhaltig zu betrachten.
Anderseits ist die Weiternutzung oder die Umnutzung von bestehenden Gebäuden ein wichtiger Aspekt gegen Leerstand und weiteren Baulandverbrauch.
Hier sieht man auch ein gewisses Dilemma der Denkmalpflege, einerseits ist die Erhaltung der Denkmale durch Nutzung ganz wichtig. Andererseits führt eine Nutzung oder auch eine Umnutzung zu Substanzverbrauch. Nicht jede Umnutzung ist nachhaltig.
Es gibt drei nachhaltige Strategien:
Effizienz – besser produzieren
Sie richtet sich auf eine ergiebigere Nutzung von Materie und Energie, also auf Produktivität von Ressourcen. Kurz gesagt: Aus weniger mach mehr!
Konsistenz – anders produzieren
Sie richtet sich auf naturverträgliche Technologien, welche die Stoffe und die Leistungen der Ökosysteme nutzen, ohne sie zu zerstören
Suffizienz – weniger produzieren und konsumieren
Sie richtet sich auf einen geringeren Verbrauch von Energie und Materialien. Dazu gehört auch das Hinterfragen der Bedürfnisse. Nachhaltigkeit liegt nicht nur in technischen Verbesserungen, sondern im Verhalten der Menschen, in der Frage nach dem rechten Maß.
- Was heißen diese drei Strategien für die Denkmalpflege? Was heißt es für Ihr Denkmal?
Gerade die dritte Strategie ist hier ein wichtiger Aspekt. Brauchen wir tatsächlich für alle Nutzungen einen Neubaustandard? Können wir mit den Begrenzungen des Denkmals kreativ umgehen?
Themen
Welche Themen können Sie mit Ihrem Gebäude oder einer Stadtführung also in Esslingen ansprechen? Dazu folgende Vorschläge. Zu den genannten Themen können Sie an Ihrem Denkmal konkret zeigen, was kann man von Ihrem Denkmal lernen? Zeigen Sie Beispiele dazu
Baumaterialien
- Verwendung von beständigen und regionalen Baumaterialien
- recycelbare Baumaterialien, Nutzungskreislauf
- reparaturfähige Baumaterialien
- Einsparung problematischer Baumaterialien
Bauweisen
- Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit
- traditionelle handwerkliche Techniken für die Zukunft
- Förderung arbeitsintensiver aber materialsparender Handwerkstechniken
Beispiele zeigen
- für reversible Eingriffe
- für substanzschonende Eingriffe
- für Reparatur und Addition statt Abbruch und Neubau
Energieversorgung im Denkmal
Geschichte und Informationen
- Welche Geschichten und Informationen stecken in Ihrem Denkmal?
- Wissen Sie etwas über die Bewohner/Benutzer/Erbauer? Was sagt das uns heute?
- Welche kulturellen Ressourcen können mit Ihrem Denkmal bewahrt werden?
- Was hat sich verändert über die Zeit? Was können wir für die Zukunft mitnehmen?
Denkmalwerte
- Wieso ist mein Denkmal ein Denkmal? Was macht es zu einem Denkmal?
- Was steht dazu in der Denkmaltopographie?
- Was wäre, wenn genau dieses Denkmal nicht mehr da wäre?
- Welche Denkmalwerte verkörpert mein Denkmal?
Denkmalsubstanz
- Was ist original an meinem Denkmal? Aus welchen Zeiten stammt die Bausubstanz?
- Was wurde getan, um die Substanz zu erhalten/zu schonen?
- Wo geht es um das Stadtbild und wo um die Substanz?
Bau- und Nutzungsstandards
- was für Ansprüche habe ich an die heutige Nutzung und wie kann sie das Denkmal erfüllen?
- passen meine Ansprüche zum Denkmal?
- wie war es früher, wie ist es heute?
- brauchen wir tatsächlich für alles Neubaustandards?
- kann ich mit den „Beschränkungen“ des Denkmals kreativ umgehen?
- wurden technische und bauliche Eingriffe bewusst reduziert?
Denkmal und Stadt
- welche Rolle spielt mein Denkmal im Quartier, in der Straße, in der Stadt?
Nachhaltiges Handeln
kann ich an meinem Denkmal Beispiele für die Prinzipien des nachhaltigen Handelns zeigen?
- bewahren und weiterentwickeln
- maßvoll statt immer mehr
- einfach statt kompliziert
- Vielfalt statt Monokultur
- etwas lassen, obwohl man es tun könnte
- langsam statt schnell
- plausibel statt unlogisch – gesunder Menschenverstand
Moderne Denkmale
vieles, das über ressourcenschonende, natürliche und regionale Baumaterialien oder Bauweisen gesagt wurde, gilt nicht unbedingt auch für moderne Denkmale. Hier lohnt es sich dennoch, diese Themen zu betrachten. In gewisser Weise sind moderne Denkmale Zeitzeugen einer Zeit, in der über nachhaltiges Bauen nicht wirklich nachgedacht werden musste.
- Wie kommt man hier zu nachhaltigen Lösungen unter Bewahrung von Substanz und Erscheinungsbild?
Umnutzung
- Welche neuen Anforderungen stellt die neue Nutzung?
- Wie wird der Charakter der alten Nutzung bewahrt?
- Wird das Bestehende bewahrt und aktiviert?
- Werden technische und bauliche Eingriffe bewusst reduziert?
31.3.2020
Dipl. Ing. Christine Keinath
URBA Architektenpartnerschaft